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futur perfekt
"Space Park Zeit abgelaufen"
oder Die Gewinner von heute werden die Verlierer von morgen gewesen sein

(Dieser Text ist erschienen in "BIGNES? size does matter. image/politik. städtisches handeln" b_books, Berlin 2001)

»Wir befinden uns im Jahr 2010. Genauer gesagt: Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, und schon herrscht Katerstimmung in der Stadt. Die ehrgeizigen Pläne, mit denen die große Koalition vor nunmehr zwölf Jahren angetreten war, um Bremen an die Spitze des internationalen Standortwettbewerbs zu katapultieren, haben irreversible Schäden hinterlassen. Erinnern wir uns an die Umstände, unter denen der ›Space Park‹ im letzten Jahr den Betrieb einstellen mußte. Die von Wirtschaftsfachleuten der späten 90er Jahre ausgegebene Parole ›Städtetourismus‹ hatte sich bereits wenige Jahre später als Fehleinschätzung erwiesen, da mit der rapiden Entwicklung der Informationstechnologie, insbesondere des Internet, das Freizeitverhalten sich grundlegend veränderte: Online-Shopping ersetzte nun die zeitraubende Odyssee durch immer unübersichtlichere Malls. Interaktive 3-D-Environments, die mittlerweile zum festen Bestandteil der lokalen Internet-Cafés gehören, ließen die aufwendigen und unflexiblen Simulationsmaschinen der Urban Entertainment Center in kürzester Zeit alt aussehen. Unter der anhaltend rigiden Sozialpolitik und sinkenden Nettolöhnen geriet die Bedeutung der damaligen Modewörter ›City Hopping‹ oder ›Shopping Trip‹ beinahe in Vergessenheit. Durch die Erhöhung des Benzinpreises auf 5 Euro pro Liter im Jahre 2004 wurde der Individualverkehr praktisch zum Erliegen gebracht. Die UECs zielten jedoch genau auf diesen Markt. Ein Wirtschaftlichkeitsgutachten auf Antrag der Grün-Liberalen Partei bedeutete für das Subventionsprojekt ›Space Park‹ 2009 das AusAusschnitt aus dem Einladungsplakat

›futur_perfekt‹ entstand im Wintersemester 1999/2000 als interdisziplinäres Ausstellungsprojekt an der Hochschule für Künste, Bremen. StudentInnen aus verschiedenen Fachbereichen sowie Mitglieder der Gruppe City.Crime.Control recherchierten drei Monate lang, wie es im Bremer Senat trotz öffentlicher Kritik zum Beschluß des sogenannten ›Space Park‹ kommen konnte. Interviews wurden geführt mit politischen EntscheidungsträgerInnen, wie z.B. der ehemaligen Staatsrätin für das Bauwesen Ulla Luther, die u.a. aus Protest gegen diesen Beschluß zurückgetreten ist, oder aber dem Initiator des Projekts Wolfgang Wilke, ehemals DASA Bremen und jetzt Geschäftsführer der Space Park Development GmbH. Diese auf Video mitgeschnittenen Gespräche führen beispielhaft vor, wie ein ökonomisch und politisch fragwürdiges Projekt gegen alle Bedenken durchgesetzt wird. Der Bau des ›Space Park‹ war zu diesem Zeitpunkt also beschlossene Sache. Für uns stellte sich die Frage, wie wir trotzdem eine kritisch-utopische Perspektive entwickeln können, um aus der Sackgasse einer ausschließlich reaktiven Kritik (»Die Welt ist schlecht...«) wieder herauszufinden. Die Lösung lag im futuristischen Gegenstand unserer Untersuchung selbst: Ein Zeitsprung von exakt zehn Jahren bot ein völlig anderes Szenario.

›futur_perfekt‹ diente uns als Pseudonym und Denkmodell. Wir imaginierten uns selbst als BesetzerInnenkommando der Spaßruine ›Space Park‹. Den Lauf der Geschichte und die eigene Biografie bereits in der Gegenwart zu manipulieren, war verführerisch - auch wenn sich, wie man das aus Science Fiction kennt, das ein oder andere Logik-Problem auftat. (»Sind wir in zehn Jahren zehn Jahre älter?«) Zeitungsartikel wurden verfaßt, welche Aufstieg und Niedergang des ›Space Park‹ dokumentierten. Das künftige Wahrzeichen des ›Space Park‹, der Nachbau einer Ariane-Trägerrakete, wurde von ›futur_perfekt‹ wiederum nachgebaut, in handliche Teile zerlegt und in unsere vorübergehende Zentrale transportiert, die GAK Bremen (Gesellschaft für Aktuelle Kunst). Dort fungierte die fragmentierte Rakete als Pilzzucht-Behälter, Kommunikationsmöbel, Meditationskammer, Pinnwand und Zoetrop. Damit war bereits angedeutet, wozu ›futur_perfekt‹ auf Plakaten und einer Sonderseite der taz Bremen (»Gibt's die überhaupt noch in zehn Jahren? Und wenn ja, wie sieht das Layout aus?«) einlud: Zum öffentlichen Planungstreffen, wo darüber diskutiert werden sollte, wie das ›Space Park‹-Gelände in Zukunft genutzt werden könnte. Welche Bedürfnisse sind überhaupt vorhanden? Welche gesellschaftlichen Gruppen werden von der städtischen Politik nicht berücksichtigt? Wie können sich widersprechende Interessen ausgehandelt werden? Sollen kommerzielle Teilnutzungen zugelassen werden oder nicht? Die Pilze werden natürlich verschenkt! Straßenumfragen und die im Freundes- und Bekanntenkreis verteilten Malvorlagen dienten als Ventil für (noch) nicht erfüllte Wünsche. ›futur_perfekt‹ als Denkmodell eröffnete uns einen Freiraum, in welchem der Entwurf von Alternativen und das Verfolgen verspinnerter Ideen möglich wurden, ohne auf politische Bodenhaftung verzichten zu müssen.
›futur_perfekt‹ waren: Holger Börgartz, Claudia Christoffel, Derk Claassen, Michael Hennig, Claudia Kapp, Andreas Kotulla, Belaid Le Mharchi, Ulf Treger, Ingo Vetter, Sandy Volz und Annette Weisser.

Containerdörfer und Fischgrätmuster
Gucklöcher im Bauzaun verheißen einen »Blick in die Zukunft« und zeigen nicht vielmehr als Bauschutt und aufgeworfene Erde. Mitte 2000 wurde hier mit dem symbolischen ersten Spatenstich der Bau des Großprojekts ›Space Park‹ begonnen - mit nichts geringerem als das »erste integrierte Entertainment-Shopping-Center Deutschlands«.
Der Ort, an dem sich diese größte Anstrengung der Stadt Bremen im Wettbewerb der Städte materialisieren soll, hatte schon in den Jahrzehnten zuvor einen Symbolcharakter für die Entwicklung des kleinen Stadtstaates. 1905 wurde die Schiffswerft der AG Weser in diesen Teil des Bremer Hafengebiets verlegt. Mit der Produktion ziviler Passagier- und Frachtschiffe, von Schlachtschiffen und U-Booten für die deutsche Wehrmacht konnte sich die Werft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als wichtigste Produktionsstätte der Bremer Industrie etablieren. Der kontinuierliche Ausbau der Kapazitäten ermöglichte in den 60er Jahren eine Spezialisierung auf Supertanker; die Firma war am Höhepunkt ihrer Entwicklung angelangt und beschäftigte über 3.000 Arbeiter. Dieser Höhenflug wurde durch die weltweite Ölkrise zu Beginn der 70erJahre abrupt beendet. Bis 1983 spitzte sich die Krise der gesamten norddeutschen Schiffsbauindustrie zu, und die Schließung der AG Weser-Werft stand unmittelbar bevor. Kurz vor der im September 1983 stattfindenden Wahl zur Bremer Bürgerschaft entschlossen die Arbeiter der Werft, ihren Kampf für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu verstärken und besetzten das Werftgelände. Die organisierten Arbeiter konnten dabei auf eine proletarische Tradition zurückblicken: Bei den ersten größeren Streiks in Bremen 1913 und besonders 1918 bei Gründung der Bremer Räterepublik spielte die mehrheitlich sozialistisch organisierte Arbeiterschaft der AG Weser eine wichtige Rolle. 1983 waren die Ziele der Besetzung moderater; die Intervention im Wahlkampf sollte die Unterstützung der regierenden SPD einfordern. Diese zeigte sich von den Protesten jedoch unbeeindruckt und unterstützte weiterhin den »Abbau von Schiffsbaukapazitäten«. Einen Tag nach der Wahl, den die SPD mit absoluter Mehrheit gewann, gaben die Besetzter auf. Am 31. Dezember 1983 wurde die Werft endgültig geschlossen und 2.200 Menschen, die mehrheitlich im nahe gelegenen Stadtteil Gröpelingen lebten, waren arbeitslos. Die Massenentlassung wirkte sich spürbar auf diesen Stadtteil aus, der in den Jahrzehnten zuvor von der prosperierenden Entwicklung unmittelbar profitiert hatte. Das Gelände selber blieb seitdem, abgesehen von einem Zwischenspiel einer glücklosen Unternehmensansiedlung, ungenutzt - obwohl der Bremer Senat in mehreren Anläufen versuchte, Erfolg versprechende Konzepte für die Brachfläche zu finden. So gab es Ideen zum Wohnungsbau bzw. zur großflächigen gewerblichen Nutzung in attraktiver Lage am Wasser.

1995 weckte ein Vorschlag des in Bremen ansässigen Rüstungs- und Luftfahrtkonzerns DASA (DaimlerChrysler Aerospace AG) neue Hoffnungen bei den PolitikerInnen: ein Weltraum-Freizeitpark biete nicht nur eine städtebauliche Gesamtlösung für die Brache, sondern könne zugleich zum Symbol für einen Imagewechsel des Wirtschaftsstandortes Bremen werden: weg von der Schwerindustrie hin zu neuen »zukunftsweisenden« Technologien. Darüber hinaus lockte selbstverständlich die Aussicht auf Teilhabe an den finanziellen Segnungen des boomenden Städtetourismus. In erster Linie aber bestach die Idee wohl kraft ihrer suggestiven Wirkung, die es möglich machte, eine ausreichende Anzahl politischer EntscheidungsträgerInnen für dieses Phantasma einzunehmen. Die mittels des assoziationsreichen Begriffs ›Space Park‹ geweckten Visionen bewegten die Bremischen PolitikerInnen rasch dazu, sich auf die Realisierung des Projektes auf dem Areal der AG Weser einzulassen. Bald wurde allerdings klar, daß ein reiner Themenpark sich nicht rentieren würde. Die Angliederung eines Shopping-Centers im großen Ausmaß erschien ökonomisch sinnvoll. Kurze Zeit später machte in der Bremer Öffentlichkeit der abschätzige Begriff vom »Einkaufszentrum mit Rakete« die Runde. Wohl zurecht, denn die geplante Shopping-Mall beanspruchte nun die dreifache Fläche des Entertainment-Bereiches. Ende 1998 fiel die Entscheidung, den ›Space Park‹ zu bauen. Unterstützt durch EU-Gelder, läßt die Stadt Bremen sich das Projekt rund 400 Mio. Mark und somit 30% der Gesamtinvestitionssumme kosten - bei weitgehendem Verzicht auf planerische Mitgestaltung und Gewinnbeteiligung. Lediglich ein ungehinderter öffentlicher Zugang zum Weserufer wurde zur Auflage erklärt.

Als die Gruppe ›futur_perfekt‹ begann, sich mit dem ›Space Park‹-Projekt auseinander zu setzen, fiel zunächst die Fantasielosigkeit der konkreten Vorhaben ins Auge. Zwar kursierten eine Reihe verheißungsvoller Hochglanz-Computer-Visionen im Science-Fiction-Stil, doch unter dem Strich blieb es bei der Aneinanderreihung von Fastfood-Restaurants, Multiplex-Kino, Shopping-Mall, Hotel, Achterbahn und Unterhaltungselektronik: Zur genüge bekannte Versatzstücke der Entertainment- und Event-Industrie. Die mit der Umsetzung des Projektes befaßte Köllmann AG wurde indes nicht müde darauf hinzuweisen, daß der ›Space Park‹ »konkurrenzlos«, »nicht zu überbieten«, kurz einzigartig sei. Der politischen Diskussion gelang es jedoch nicht, sich von den Plattitüden der Werbestrategen zu lösen. Angesichts der sehr vagen Absichtserklärungen dazu, was der ›Space Park‹ denn eigentlich werden soll, blieb es auch für ›futur_perfekt‹ mehr bei einer Kritik an den Visionen der Befürworter als an konkreten Fakten. Diese sind bis heute nicht wirklich bekannt, schließlich läßt man sich auf Seiten der »Private Partners« - der Space Park Development AG und einer ganzen Reihe von Consulting- und Design-Firmen - nicht in die Karten schauen. Lästige kritische Nachfragen zum ›Space Park‹ werden mit dem Hinweis abgewürgt, daß es nur noch um die technische Abwicklung des Projektes geht, was mittlerweile einem Informationsstop gleichkommt. Eine detaillierte Information über den Stand der Planungen war zu keiner Zeit vorgesehen, ganz zu schweigen von der Beteiligung der Bremischen Bevölkerung. Deren zukünftige Einbindung in das Projekt wird sich voraussichtlich auf im Niedriglohn-Niveau angesiedelte Jobs beschränken. Die Chance die Neugestaltung des ehemaligen AG Weser Geländes mit der spezifischen Situation Gröpelingens zu verbinden, blieb ungenutzt. Mehr noch: Der bisherige Planungsprozeß zeichnet sich durch seine völlige Ignoranz gegenüber der Umgebung des Großprojektes aus. Von den ursprünglichen Planungen eines Freizeitparks mit wissenschaftlichem Touch ist wenig mehr geblieben als die Idee eines Urban-Entertainment-Centers, angereichert mit den restlichen Teilen eines Themenparks nach us-amerikanischem Vorbild.

Die Hoffnungen der - privaten und öffentlichen - Investoren kreisen nun vor allem um die Rendite versprechende wechselseitige Verwandlung von Geld in Erlebnisse. Ob genügend Profit in der nach nordamerikanischen Erfahrungswerten voraussichtlich zehnjährigen Laufzeit erwirtschaftet werden kann, bleibt selbstverständlich offen. Offen ist auch das Ausmaß der Folgekosten, die ein »Public-Private-Partnership« für Bremens Haushalt nach sich ziehen wird. Das letzte Prestigeobjekt der Bremer »City Manager« - ein im Vergleich geradezu billiges Musical - hat jedenfalls gerade einmal zwei Jahre Bestand gehabt, litt von Anfang an unter chronischem Besuchermangel und nahm bis zuletzt über 20 Millionen Mark öffentlicher Gelder mit ins Grab. Die Prognosen über den positiven Einfluß des Musicals auf Bremen im Wettbewerb der Städte waren seinerzeit ebenso vollmundig wie heutzutage für den ›Space Park‹. Die Tatsache, daß die Investitionen aus öffentlicher Hand nicht zu Gunsten einer weitsichtigen Stadtentwicklung getätigt werden, sondern eine kurzzeitige, unbürokratische Wirtschaftsförderung der beteiligten Privatfirmen darstellen, zeigt beim ›Space Park‹ erneut, wem sich die politischen EntscheidungsträgerInnen verpflichtet fühlen. Die politische Diskussion hat sich mittlerweile auf einen Nebenschauplatz zurückgezogen. Nunmehr wird um den ehemaligen Getreidespeicher am Rande des ›Space Park‹-Geländes gestritten. Investor Köllmann wurde schon vor Zeiten ein Vorkaufsrecht auf den Speicher zugesprochen - ein weiteres Geschenk der Stadt Bremen. Sein Erhalt ist aber für die Gröpelinger Bevölkerung aus historischen und symbolischen Gründen von großem Interesse. Zurzeit bestimmen allerdings noch Baukräne, Schutthaufen und die in der Form eines »Fischgrätmusters« in den Boden gegossenen Fundamente - zarte Anklänge an Bremens maritime Vergangenheit - das Bild auf der »größten Baustelle Nordwestdeutschlands«.

futur_perfekt Videoarchiv
Im Vorfeld der Ausstellung haben wir Interviews geführt mit Verantwortlichen »aus Politik und Wirtschaft«, die auf unterschiedlichen Ebenen in den Planungs- und Entscheidungsprozeß für den ›Space Park‹ involviert waren bzw. sind. Ein ca. 40 minütiger Zusammenschnitt der Gespräche war in der Ausstellung zu sehen.
Wolfgang Wilke (Geschäftsführer der Space Park Development GmbH, früher DASA Bremen); Peter Lux (DASA Bremen); Ronald Tietjen (Referent für Gewerbeflächen und Erschließung beim Wirtschaftsressort Bremen); Helga Trüpel (Bürgerschaftsabgeordete Bündnis 90/ Die Grünen im Bremer Senat); Ulla Luther (Stadtplanerin und Architektin, ehemalige Staatsrätin für das Bauwesen im Bremer Senat); Bernd Peters (ehemaliger Leiter des Ortsamt Bremen West)

In welchem Verhältnis stehen Urban Entertainment Center wie der ›Space Park‹ zum »öffentlichen Raum«?
Helga Trüpel: Öffentlicher Raum heißt für mich in erster Linie Umgang mit Differenz, d.h. die Konfrontation mit Fremdem und Fremden. Das wird durch die UECs mit ihrem Mall-Charakter doch sehr stark konformisiert. Damit wird der öffentliche Raum aufgeteilt in öffentliche Resträume und privatwirtschaftlich organisierte Zonen, wo bestimmte Menschen viel leichter ausgeschlossen werden können.
Wolfgang Wilke: Auch in der Innenstadt wird nicht toleriert, wenn dort dem Gemeinwohl abträgliche Dinge passieren. ›Space Park‹ ist natürlich nicht angelegt als Demonstrationsplattform. Nichtsdestotrotz hat ›Space Park‹ öffentliche Wege wie auch eine Straßenbahnhaltestellen direkt am Eingang, wo sicher auch das Verteilen von Flugblättern gestattet ist. ›Space Park‹ repräsentiert Urbanität, ›Space Park‹ stärkt die Rolle Bremens als Oberzentrum in Nordwestdeutschland, ›Space Park‹ bedeutet eine Attraktivitätssteigerung für den Standort Bremen. Durch ein professionelles Centermanagement gibt es einen geschlossenen Auftritt nach außen mit festgelegten Öffnungszeiten und einer attraktiven Mischung aus Einzelhandel und Entertainment. Das kann eine Innenstadt nun mal nicht leisten, auch wenn City Initiativen versuchen, auf diesem Gebiet die ersten Schritte zu machen durch ein gemeinsames Marketing und garantierte Sicherheit und Sauberkeit am Standort. Hier kann ein UEC wir der ›Space Park‹ sicher unterstützend wirksam werden.
Ronald Tietjen: Der öffentliche Raum wird begrenzt von privaten Flächen. Den öffentlichen Raum im klassischen Sinne wird es - zumindest bezogen auf Einzelhandel und Freizeitbereiche - in Zukunft nicht mehr geben. Bei den Passagen in der Innenstadt ist es zuweilen unklar, ob es sich um private oder öffentliche Flächen handelt. Aufgabe der öffentlichen Hand ist es, bestimmte Funktionen wie z.B. Zugänge zum Wasser für die Bürger und Bürgerinnen aufrechtzuerhalten - insofern kann der öffentliche Raum nicht vollständig abgeschafft werden.

Braucht Bremen den ›Space Park‹?
Peter Lux: Naja, da könnte man auch fragen, ob Bremen die Kunsthalle braucht.
Ulla Luther: Nein. Da sind sich ja die Fachleute zumindest meiner Profession einig. Bremen hat mit seiner überalterten Kaufmannsschaft sicherlich lange Zeit geschlafen. Jetzt haben sie den Sprung geschafft und just in dem Moment baut man einen großen Einkaufskomplex stadtfern und fördert ihn auch noch staatlich. Das ist meiner Meinung nach völlig falsch.
Wolfgang Wilke: ›Space Park‹ ist nicht einfach ein Shopping Center. Wir wollen und wir werden im ›Space Park‹ neue freizeitorientierte Produkte anbieten und damit ein Einzugsgebiet erzeugen, welches das der Bremer Innenstadt bei weitem übersteigt.
Helga Trüpel: Manche Einzelhändler erhoffen sich durch den ›Space Park‹ eine Aufwertung des Stadtteils Gröpelingen, die meisten befürchten jedoch einen Umsatzrückgang. Das ist sehr kontrovers diskutiert worden. Die Skeptiker sind ein Stück weit befriedet worden durch das Kompensationsprogramm von knapp 100 Millionen DM für Gröpelingen und den Innenstadtbereich.
Bernd Peters: Mit dem Niedergang der AG Weser 1983 ist mitten in der Stadt eine Freifläche entstanden, die sicherlich neue Impulse braucht, um eine gewisse Dynamik in den Stadtteil Gröpelingen hineinzutragen. Ob das nun der ›Space Park‹ sein muß, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Woher stammt die Idee für den ›Space Park‹?
Wolfgang Wilke: Bei Daimler Benz wurden 1992-93 ›Intrapreneurprogramme‹ durchgeführt. Der Zweck dieser Förderung von »Unternehmern im Unternehmen« ist, schlafende Potentiale für die Firma nutzbar zu machen. Die Idee für den ›Space Park‹ wurde von vier Mitarbeitern eingebracht und dann zusammen mit dem Bremer Senat zur Reife geführt, so daß 1994 eine Projektentwicklergesellschaft - die Köllman AG - eingestiegen ist.
Peter Lux: Wenn die Ideen im Kerngeschäft liegen, werden sie direkt vom Unternehmen verwertet, wenn nicht, hilft die Firma den Intrapreneuren, ihre Idee außerhalb umzusetzen. Einer dieser Intrapreneure war Dr. Wolfgang Wilke, der die Idee für den ›Space Park‹ hatte.

Wie wird der ›Space Park‹ finanziert?
Ulla Luther: Der ›Space Park‹ kostet ca. 800 Mio. DM.* Davon sind 200 Mio. DM öffentliche Subventionen in Form von Parkplätzen und Erschließung des Geländes, darüberhinaus wird natürlich das Grundstück freigeräumt vom Altlasten übergeben. Die innenstädtischen Einzelhändler versuchen dagegen zu klagen, da diese Form von Subventiontionierung eine Marktverzerrung darstellt.
Ronald Tiedjen: Das Objekt gehört einer Betriebsgesellschaft, hinter der steckt die DEGI (Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds/ Dresdner Bank), die Köllmann AG und noch ein dritter Investor. Diese Anleger wollen ihre Renditen erwirtschaftet haben und das wird nach betriebswirtschaftlichen Analysen auch geschehen.
Helga Trüpel: Gutachten gibt es je nachdem, wen man damit beauftragt. Das Wirtschaftsressort hat natürlich Gutachten vorgelegt, nach denen sich ›Space Park‹ rechnen wird. Das verwundert nicht weiter; im Wirtschaftsressort sitzen diejenigen, die das Projekt maßgeblich gefördert haben.

Wer trägt das finanzielle Risiko im Falle einer Pleite?
Wolfgang Wilke: Von einem Scheitern wollen wir nicht nur aus Zweckoptimismus nicht ausgehen...
Ulla Luther: Für einen Fehlschlag ist im Zweifelsfall keiner veranwortlich, so wie ich den Laden hier kenne. Diejenigen, die das entschieden haben, werden dann höchstwahrscheinlich nicht mehr im Amt sein. Insofern gestaltet sich der Nachweis relativ schwer, wie immer bei solchen großen Projekten. Das ist die Sozialisierung von großen Investitionen oder besser gesagt: Fehlinvestitionen.
Helga Trüpel: Bremen betreibt in vielerlei Hinsicht eine nachholende Modernisierung, d.h. wir springen auf Züge auf, die andernorts schon längst abgefahren sind. Man wähnt sich mit dem Rücken zur Wand und schaut wie das Kaninchen auf die Schlange, was in anderen Städten wirklich oder angeblich bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Dabei wird versäumt, eigene Potentiale zu entdecken und zu entwickeln. Ich habe erlebt, wie die Bremer Wirtschaftsfachleute sich regelrecht haben besoffen reden lassen von den Marketingexperten der Köllmann AG und wirklich daran glauben, daß Großprojekte wie der ›Space Park‹ einen Entwicklungsschub für Bremen bringen werden. Die BefürworterInnen des ›Space Park‹ haben sicherlich auch ihre Zweifel, die aber in der politischen Auseinandersetzung an uns - also den Kritikerinnen des Projekts - bekämpft werden, weil wir diejenigen sind, welche diese Zweifel im politischen Raum formulieren. Das ist die Psychodynamik politischer Entscheidungsprozesse.
Ulla Luther: Hinter vorgehaltener Hand haben ja fast alle Senatoren gesagt, daß der ›Space Park‹ Unsinn ist. Aber über die langwierigen Verhandlungen um Genehmigungen, finanzielle Sicherheiten usw. wurde die Politik immer stärker in die Verantwortung genommen. Am Ende trägt nun nicht mehr der Investor das Risiko, sondern die Stadt. Das hätte auf keinen Fall passieren dürfen, da die Politik auf diesem Wege immer stärker unter Druck geraten ist und letztlich erpressbar wurde. Das ist der politische Skandal.
Helga Trüpel: Ich glaube, Projekte wie der ›Space Park‹ entfalten ab einem bestimmten Punkt eine Eigendynamik. Wenn man sich lange genug dafür aus dem Fenster gelehnt hat, wie es die große Koalition in diesem Fall getan hat, ist es ungeheuer schwer, sich wieder davon zu verabschieden. Selbst wenn man seine Meinung inzwischen geändert hat.

Welchen Nutzen haben Großprojekte wie der ›Space Park‹ für die Stadt?
Ronald Tiedjen. Wenn man hier in Bremen die Leute fragt, was fehlt bzw. was verbessert werden müßte, dann sind es diese sogenannten »buchbaren Ereignisse«. Dazu gehört neben dem Musical Center auch der ›Space Park‹ Bremen und der ›Ocean Park‹ Bremenhaven.
Helga Trüpel: Es ist ja eine weitverbreitete Ansicht, der auch die große Koalition in Bremen anhängt, daß nur durch Großprojekte die Attraktivität des Standorts zu steigern ist. Das Ziel dieser Politik ist, die Einwohnerzahl zu erhöhen um damit die Steuereinnahmen zu steigern und natürlich auch Touristen in die Stadt zu locken. Der ›Space Park‹ Bremen und der ›Ocean Park‹ Bremenhaven binden ungeheure öffentliche Mittel, zusammen fast eine Milliarde Mark. Ich bin der Meinung, daß diese Mittel mittelfristig in kleinteiligen, nachhaltigen Projekten besser angelegt wären als in solchen Reißbrettplanungen, weil man damit unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigen könnte und sich nicht an ein einziges Großprojekt bindet.
Ulla Luther: Mit solchen Großprojekten ist man vor allem im Wahlkampf erfolgreich, weil man konkret etwas vorzuweisen hat.

Welche Laufzeit prognostizieren Sie dem ›Space Park‹?
Peter Lux: UECs wie der ›Space Park‹ werden ja nicht für eine begrenzte Laufzeit konzipiert. Nach einigen Jahren werden lediglich die Systeme ausgewechselt.
Ronald Tiedjen: In die Planung integriert sind sogenannte Attraktivierungsmaßnahmen, um den Leuten immer wieder etwas Neues zu bieten.
Wolfgang Wilke: Es ist auch kein Geheimnis, daß sich vor allem kleine Ladeneinheiten regelmäßig erneuern. Wenn ein Laden nicht gut läuft, dann wird er eben ausgetauscht. Was wir auf jeden Fall vermeiden wollen, sind leere Ladeneinheiten, das läßt sofort die Frequenz abreißen.
Bernd Peters: Zehn Jahre, fünfzehn Jahre... Je nachdem, wie das Projekt inhaltlich weiterentwickelt wird.
Helga Trüpel: Aber es könnte natürlich passieren, daß der ›Space Park‹ ein Flop wird. Dann stehen wir ganz schnell vor einer leeren Hülle, die irgendwie gefüllt werden muß.
Ulla Luther: Eigentlich müßten die Städte bei der Planung solcher Projekte die Entsorgung gleich miteinkalkulieren. Dann würde so etwas wie der ›Space Park‹ gar nicht erst gebaut.

* Zur Zeit wird mit mindestens 1 Milliarde Mark gerechnet.






 
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city crime control 15.04.2002