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Thomas Böker (c3)
Hausmannskost für kulinarische Erlebnisse
Bremer SpacePark ist schon vor der Eröffnung ein Flop.

(aus: Analyse + Kritik, Ausgabe 462 vom 17. Mai 2002 im Themenschwerpunkt Städte und Häfen von Ready2Capture)

Unter dem Motto "Stadt am Fluss" kolportierten die Bremer Grünen Anfang der 90erJahre als Partner der Ampelkoalition ein städtebauliches Konzept, das die "Verzahnung von modernem, technologieorientiertem Gewerbe mit produktionsorientierten Dienstleistungen sowie Wohnen, Kultur und Freizeit" vorsieht. Das städtebauliche Augenmerk liegt auf der Entwicklung der alten Hafenreviere. Größtes "Flussprojekt" ist der SpacePark auf dem ehemaligen Gelände der AGWeser im Stadtteil Gröpelingen. Nichts Geringeres als das "erste integrierte Entertainment-Shopping-Center Deutschlands" entsteht hier.

Der Ort, an dem sich diese größte Anstrengung der Stadt Bremen im Wettbewerb der Städte materialisiert, hat einen hohen Symbolcharakter für die Entwicklung des Stadtstaates und insbesondere des Stadtteils Gröpelingen. 1905 zog die AG Weser in diesen Teil des Hafens um. Mit dem Bau von zivilen Passagier und Frachtschiffen, aber auch von Schlachtschiffen und U-Booten für die deutsche Wehrmacht konnte sich die Werft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als wichtigste Produktionsstätte der Bremer Industrie etablieren. Der Ausbau der Kapazitäten ermöglichte in den 60erJahren eine Spezialisierung auf Supertanker, bis die 1974 einsetzende Ölkrise zu einem abrupten Absatzrückgang führte. Die Krise der gesamten norddeutschen Schiffbauindustrie spitzte sich bis 1983 zu. Um die Bremerhavener Seebeckwerft und die Bremer Vulkan zu erhalten, sollte die AG Weser geschlossen werden. Kurz vor der im September 1983 stattfindenden Wahl zur Bremer Bürgerschaft besetzte die Belegschaft das Werftgelände. Die Intervention im Wahlkampf sollte die Unterstützung der regierenden SPD im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze einfordern. Diese zeigte sich jedoch unbeeindruckt von den Protesten und unterstützte weiterhin den Abbau der Schiffbaukapazitäten. Einen Tag nach der Wahl, die die SPD mit absoluter Mehrheit gewann, beendeten die Arbeiterinnen die Besetzung. Am 31. Dezember 1983 wurde die traditionsreiche Werft geschlossen. Über 2.000 Menschen, die mehrheitlich in Gröpelingen lebten, wurden arbeitslos. Die Massenentlassung wirkte sich spürbar auf den Stadtteil aus, der zuvor von der prosperierenden Entwicklung der AG Weser mittelbar profitiert hatte.


Das Gelände selbst blieb ungenutzt. Eine städtebauliche Gesamtlösung für die Brache bot die 1994 von dem im Bremen ansässigen Rüstungs und Luftfahrtkonzern DASA forcierte Idee eines Weltraum-Freizeitparks. Die mittels des assoziationsreichen Begriffs Space Park geweckten Visionen bewegten eine ausreichende Anzahl politischer Entscheidungsträgerinnen, sich für die Realisierung des Projekts auf dem Areal der AG Weser auszusprechen. Neben den finanziellen Segnungen eines boomenden Städtetourismus lockte die Aussicht, ein Symbol für einen Imagewechsel des Wirtschaftsstandortes Bremen zu schaffen weg von der Schwerindustrie hin zu neuen "zukunftsweisenden" Technologien. Da sich ein reiner Themenpark nicht rentieren würde, schien die Angliederung eines Shopping-Centers ökonomisch sinnvoll, das nun die dreifache Fläche des Entertainmentbereichs beansprucht. Erster Unmut in der Bremer Öffentlichkeit formulierte sich in der Redewendung des "Einkaufszentrum mit Rakete". Ende 1998 beschloss der Bremer Senat der Bau des Großprojektes, dass sich die Stadt um die 200 Millionen Euro, rund 30 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens, kosten lässt.


Von der ursprünglichen Idee einer Stadt am Fluss bleibt lediglich der ungehinderte öffentliche Zugang zum Weserufer, der zur Auflage gemacht wurde. Gleichzeitig wird auf weitere planerische Mitgestaltung und Gewinnbeteiligung der Bürgerinnen verzichtet. Damit wurde die Chance vergeben, die Neugestaltung des AG Weser Geländes mit der spezifischen Situation Gröpelingens zu verbinden. Die Einbindung der Einwohnerinnen wird sich voraussichtlich darauf beschränken, dass sie auf Niedriglohn-Jobs im Space Park beschäftigt werden: Im neu gebauten Torhaus gegenüber dem Space Park-Gelände, das zugleich Tor zu Gröpelingen und Abschottung zum Stadtteil darstellt, residiert bereits das Vermittlungsbüro Space Park, eine Außenstelle des Arbeitsamtes.


Protest gegen den SpacePark formierte sich vor allem aus den Reihen des Einzelhandels in der Innenstadt und Gröpelingen aus Sorge um finanzielle Einbußen. Durch ein Sofortprogramm zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt und der Nebenzentren wurden diese Kritikerinnen ruhig gestellt: So baute die Stadt in Gröpelingen die Eislaufhalle wieder auf, die vorher auf der Bürgerweide abgerissen worden war, um den Messehallen in Bahnhofsnähe Platz zu machen. Mit dem Wallecenter, in dem sich die üblichen verdächtigen Warenhausketten sammeln, haben auch die Einwohnerinnen von Walle, einem Gröpelingen vorgelagerten Stadtteil, ihre eigene Shopping Mall en miniature bekommen. Und die Sorgen des Innenstadthandels sind mit einem "Trost-Pflaster" in Form von teuren Granitsteinen in der Fußgängerzone befriedet worden.


Die politische Diskussion arbeitete sich derweil an den Platitüden der Werbestrateginnen ab. Bereits während der gesamten Planungsphase kam die Informationspolitik mehr einem Informationsstopp gleich. Schließlich soll mit dem Space Park eine Erfolgsgeschichte geschrieben werden. Kritik wird abgewiesen mit dem Hinweis auf die Einzigartigkeit und Konkurrenzlosigkeit des Projektes. Geboten werden jedoch letztlich nicht mehr als die bekannten Versatzstücke der Entertainment und Event-Industrie: Fast-Food-Restaurants, Multiplex-Kino, Shopping Mall, Hotel, Achterbahn und Unterhaltungselektronik.


Auf der Webseite und im Werbevideo des Space Park produziert sich dieser Mix als zukunftsweisend, unterstützt von Sci-Fi-Elementen: Stargatelike wird "Das Tor zu einer neuen Erlebniswelt" versprochen und "Shopping in einer neuen Dimension", gefolgt von einem fliegenden Spiegelei, Hausmannskost für "galaktisch kulinarische Erlebnisse". Am Ende gleitet ein Raumschiff in der Form des Space-Centers, dem Themen-Entertainment-Bereich, Herzstück des Space Park, durch das All, nähert sich der Erde und fügt sich passgenau ins hell erleuchtete SpacePark-Areal.


Die aktuellen Auseinandersetzungen um den Space Park klingen wesentlich irdischer. "So einen Blöden wie die Freie Hansestadt Bremen muss man erst einmal finden, den man so abmelken kann", schimpfte Helga Trüpel von den Grünen, Kultursenatorin a.D. einer Ampelkoalition aus einer fernen Zeit, am 2. Mai in der taz Bremen. Anlass ihrer Empörung war die Forderung einer Bürgschaft der Stadt Bremen über weitere 45 Millionen Euro. Der Pressesprecher des Space Park, Wolfgang Kiesel, hatte diese Summe Journalistinnen gegenüber als aktuellen Fehlbetrag genannt. Vorausgegangen war eine gemeinsame Presseerklärung der Space-Park-Investorinnen und des Senats am 29. April, in der die Verschiebung der Eröffnung des Space Park von Oktober 2002 auf Frühjahr 2003 mitgeteilt wurde. Als Grund für den neuen Eröffnungstermin kurz vor der Wahl zur neuen Bürgerschaft werden Vermarktungsschwierigkeiten angeführt. Dass die Space-Park-Development Gmbh auf Ladenflächen sitzen bleibt, hatte sich schon länger abgezeichnet. Helfen soll ein Partner aus den USA. Die in Virginia ansässige Mills Corporation soll so Kiesinger "die Platzierung der Einzelhandelsflächen am Markt und den nationalen und internationalen Vermietungsprozess vorantreiben". In der Presseerklärung hatten sich die Beteiligten darauf verständigt, "Details des angestrebten Finanzierungskonzepts derzeit nicht öffentlich zu erörtern."


Pressesprecher Kiesel wurde nach seinem Fauxpas aus dem Verkehr gezogen. In die Karten schauen lässt man sich bis heute nicht gern. Mit dem zu erwartenden Leerstand des Space Park hatten sich bereits Anfang 2000 Studentinnen der Bremer Hochschule für Künste und die Gruppe city.crime.control in dem Ausstellungsprojekt "futur_perfekt" auseinander gesetzt. Ein Zeitsprung von zehn Jahren, der durchschnittlichen Lebensdauer eines Urban Entertainment Centers, diente als Konstruktion, sich als Besetzerinnen-Kommando der Spaßruine Space Park zu imaginieren und eine kritischutopische Perspektive zu entwickeln.


Von den vollmundigen Versprechen, dass der Space Park nicht einfach ein Shopping Center sei und neue freizeitorientierte Produkte angeboten werden sollen, die "ein Einzugsgebiet erzeugen, welches das der Bremer Innenstadt bei weitem übersteigt", wird nach der Eröffnung im nächsten Jahr nichts mehr zu hören sein. Bis dahin empfiehlt sich der Besuch der Space Park Bremen-Ausstellung. Dort materialisieren sich die Visionen in Schautafeln, einem "Erlebnisvideo" und Modellen, in denen detailliert inszeniert ungeheure Menschenmengen durch den Space Park flanieren.

Thomas Böker/ CityCrimeControl





 
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city crime control 19.02.2003